Handgefärbt ist immer anders

Heute möchte ich mich mal einem Thema widmen, das in vielen Foren und facebook-Gruppen immer mal wieder zu gehörigem Unmut führt: Die Verwendung von handgefärbten Garnen in größeren Strickprojekten. Also in Projekten, die mehr als einen Strang Wolle benötigen. So wie mein neues Design "Joanna" (ab heute als Strickanleitung erhältlich), ein Dreiecktuch aus zwei Strängen "Sock" von malabrigo. Beide in der Farbe "Abril", beide aus derselben Partie. Und dennoch: Schon beim Wickeln sah ich, dass die Verteilung der Farben extrem unterschiedlich war. Der eine Strang war mehr blaulastig, der andere eher rosalastig. Wie sollten diese beiden Stränge jetzt zusammenkommen, ohne dass der Farbunterschied so extrem ins Auge fällt? Ich spielte zunächst mit dem Gedanken, die oft empfohlene Methode zu wählen, mit beiden Strängen gleichzeitig zu stricken, immer abwechselnd 2 Reihen mit der einen und 2 Reihen mit der anderen Farbe. In diesem Fall hatte das aber ein ganz einfaches Ergebnis: Streifen halt. Sehr schmal, aber sichtbar. Also einfach ärgern und meinen Unmut ebenfalls auf facebook kundtun? Das verbot sich von selbst, denn wer sich einmal näher mit dem Herstellungsprozess handgefärbter Garne beschäftigt, weiß, dass er manchmal mit solchen Farbabweichungen leben muss. Auf der Internetseite von malabrigo wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es selbst bei Strängen aus derselben Partie durch den Färbungsprozess zu Farbabweichungen kommen kann, und dass diese Gefahr mit der Anzahl der eingesetzten Farben steigt.

 

Die Kunst des Färbens

 

Ich selbst habe mich lediglich mal an eine Handfärbung mit dem Getränkepulver "Kool Aid" herangewagt. Weiter bin ich nie gekommen. Zum einen, weil Färben halt sehr zeitaufwändig ist, zum anderen aber auch, weil ich mittlerweile Färberinnen kenne, die das viel professioneller und besser machen als ich. Gesa von Buttjebeyy zum Beispiel. Aber auch die handgefärbten Garne größerer Hersteller wie Manos del Uruguay oder Madlinetosh rufen in mir immer wieder ein teils recht kindisches Entzücken hervor. Zu meinen ganz besonderen Lieblingen zählen aber die traumhaft schönen Garne von malabrigo - die ich vor einigen Jahren durch die Lieblinghändlerin meines Vertrauens Carolin von Lanade kennengelernt habe.  Es mag daran liegen, dass ich im letzten Jahr bei meinem Besuch bei Carolin an der Ostsee jede einzelne Qualität in jeder vorhandenen Farbe persönlich in Augenschein nehmen durfte. Vielleicht aber auch daran, dass ich fast alle Wollmusterkarten von malabrigo hier habe und immer wieder etwas Neues entdecke. So bin ich auch auf die Farbe "Abril" gestoßen.  Die dann aber nur in  einem der Stränge so aussah wie im Musterbuch. Streifen wollte ich aber nun mal auf keinen Fall. Also beschloss ich, aus der Not eine Tugend zu machen und den zweifarbigen Effekt einfach gezielt für das Tuchdesign einzusetzen.

 

So entstand die Idee für das Dreiecktuch "Joanna". Ich beschloss, jeweils einen Strang für jede Tuchhälfte zu nehmen. Damit das auch genau hinkommt, habe ich bei diesem Tuch an einer Spitze der Längsseite angefangen und in jeder Hinreihe an einer Seite eine Masche zugenommen. Sobald das erste Knäuel verstrickt war, war die Spitze erreicht und ich habe mit dem zweiten Knäuel mit den Abnahmen begonnen. Eine sehr gute Technik, wenn man nur zwei Knäuel oder Stränge von einer Qualität hat.

 

Statt aber nur die beiden Farben aneinanderstoßen zu lassen, wollte ich durch den Einsatz verschiedener Muster noch zusätzliche Bewegung in das Projekt bringen. Ich beschloss daher, breitere Streifen aus abwechselnd rechts und link geneigten Verkreuzungen bzw. Zöpfen zu stricken. Und die dann auch noch zu versetzen. Herausgekommen sind dann doch noch Streifen (die ich ja eigentlich gar nicht haben wollte) - aber die entstehen hier nicht durch die unterschiedlichen Farben, sondern durch die unterschiedlichen Muster. Perfekt, finde ich. Aus dem geplanten, einfachen Dreiecktuch ist ein tolles Unikat geworden, das man wohl nie mehr haargenau so nachstricken kann. Aber welche Möglichkeiten sich da eröffnen, wenn ich mir die anderen Farben alleine von der "Sock" so angucke! Im Nachhinein wäre ich doch recht unglücklich, wenn mir nicht diese beiden unterschiedlichen Stränge in die Hände gefallen wären. Und ich bin sehr geneigt, bei meiner nächsten Garnbestellung explizit zwei möglichst unterschiedliche Stränge zu verlangen. Dann finden auch all die Stränge endlich Verwendung, die niemand haben will - weil sie farblich zu keinem anderen so recht passen wollen. Die Ausgestoßenen sozusagen. Also stricke ich dann quasi für einen guten Zweck. Da schau ich doch gleich mal, ob ich dem einen oder anderen Exemplar nicht aus seiner Not befreien kann...frei nach dem Motto: "It's not a bug, it's a feature!"

 

Strickanleitung Joanna

 

Bis bald!

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